Fünf vor zwölf für alte Turmuhr

Veröffentlicht am: 19. September 2023

Als 1890 der Handschuh-, Strumpf- und Wirkwarenfabrikant C. Hugo Eidner in Burgstädt den Stammsitz für sein sechs Standorte umfassendes Firmenimperium erbauen ließ, konnte er nicht ahnen, dass sich 133 Jahre später auch Jugendliche für sein bauliches Erbe begeistern und ein Handwerker wegen einer Uhr zum Detektiv wird. Aber der Reihe nach: Bei der Errichtung seiner Fabrik sowie der in unmittelbarer Nähe befindlichen Villa zeigte Eidner nicht nur, dass er ein wohlhabender Mann war, sondern auch ein ästhetisches Gespür für moderne Architektur hatte. So zieren die Fassade des markanten Gebäudes an der Chemnitzer Straße noch heute zahlreiche figürliche Abbildungen. Außerdem besitzt das Hauptgebäudes einen weithin sichtbaren hohen Turm. Als kurz nach der politischen Wende die Don Bosco Jugend-Werk Sachsen gGmbH das Haus übernahm und zu einer Bildungseinrichtung umbaute, hatte die Immobilie seine beste Zeit schon langer hinter sich. Die Fassade war rußgeschwärzt, die Fenster kaputt und in das Dach regnete es ein. In den letzten Jahren der DDR war das Anwesen Produktionsstätte für Textilien gewesen und wie die meisten anderen in einem erbarmungswürdigen baulichen Zustand. Es bedurfte einer gewaltigen Anstrengung, bis das Haus ab 1993 aus dem Dornröschenschlaf erwachte. Nun erstrahlte das Bauwerk im alten Glanz und es zog wieder Leben in dessen Mauern ein. Einzig die Zeiger der alten Turmuhr mit insgesamt drei Ziffernblättern blieben wegen einem technischen Defekt immer an der gleichen Stelle. Für deren Restauration war kein Geld da. Viele Jahre später hörte Don Bosco-Elektromeister David Stahr (Foto links) von dem Wunsch vieler Einheimischer und Mitarbeitenden, das alte Chronometer zu neuem Leben zu erwecken. Abendelang recherchierte er im Internet nach Ersatzteilen für die historische Uhr und wurde bei einem Uhrmachermeister aus Berlin fündig. Dieser hatte eine typengleiche Uhr in Prag erworben und konnte helfen. „Das war ein richtiger Glücksfall“, ist Stahr begeistert. Inzwischen steht er als Ausbilder mit vier seiner Lehrlinge in luftiger Höhe und zerlegt die historische Uhr in sämtliche Einzelteile. Besondere Vorsicht lassen sie bei den einen Meter im Durchmesser betragenden Ziffernblättern walten. „Diese sind aus Glas und ganz schön schwer.“, erzählt Kai Großmann. Er absolviert wie auch Tino Seibel, Ysayah Fynn Gröscher und Carolina Reuther (v. l. n. r.) bei DON BOSCO SACHSEN derzeit eine Ausbildung im Bereich Elektrotechnik. „Wir machen die Elektroinstallation komplett neu und montieren außerdem eine sehr energiesparsame Beleuchtung, damit man die Uhr in den Abend- und Nachstunden auch aus der Ferne gut sehen kann.“, sind die Jugendlichen begeistert. Außerdem werden die Maler und Lackierer der Einrichtung die Ziffernblätter farblich auffrischen. Dass das mit der Uhr ein ganz besonderer Ausbildungsauftrag ist, wurde allen Akteuren sehr schnell bewusst. „Es ist schon cool, später einmal den eigenen Kindern erzählen zu können, dass man hier mitgearbeitet hat.“, zeigt die ansteckende Motivation der jungen Menschen.

Die Restauration der Turmuhr erfolgt durch Fördermittel aus dem Bund-Länder Programm „Städtebauliche Erneuerung“.

 

Text und Foto: SeS